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JUBILÄUM




                                            Ja, alles echt:
                                   Familie Thurm mit Erhard
                                     und Alexander, Stefan,
                                   Franziska und Giselle (von
                                   links) wünschen Mitte der
                                        1990er-Jahre frohe
                                            Weihnachten








            ter die Klinke in die Hand, denn die touristische
            Saison war nur acht Wochen lang – und von den
            Stammtischlern konnte man nicht leben.“
            Hinzu kam: Was haben die Flüchtlinge schon? Ei-
            nen eisernen Willen? Ja. Und den Ehrgeiz, etwas
            Neues aufzubauen. Also beißen sich die Thurms
            durch. Den Namen  Das Rübezahl bekommt die
            kleine Pension in Erinnerung an die alte Heimat –
            ansonsten setzt man auf Fortschritt und Komfort.   „Manchmal ist es doch so:
            Das Rübezahl wird über die Jahre zum ersten Haus
            mit warmem Wasser in den Zimmern. Die ersten
            Duschen, die modernsten Toiletten am Ort, der
            erste Fernseher – in den frühen 1960er-Jahren   Je weniger man hat, desto
            eine Sensation. Um das zu schaffen, hilft die gan-                                                    08
            ze Familie mit. Die Schwestern Erika und Brigitte
            müssen einige Male in der Schule entschuldigt                                                         09
            werden, weil man sie im Service braucht. Nur Fi-  mehr strengt man sich an“
            lius Erhard Thurm besucht eine weiterführende
            Schule, absolviert eine Kochlehre und die Hotel-
            fachschule. „Am Ende wollte ich meinen Eltern             ERHARD THURM
            beweisen, dass sie aufs richtige Pferd gesetzt ha-
            ben“, sagt Erhard Thurm. „Manchmal ist es doch
            so: Je weniger man hat, desto mehr strengt man   Eroberung“ (Erhard) werden die beiden ein Paar.
            sich an.“                                   Und was für eins!
                                                        1990 wird geheiratet, fünf Jahre später kommt
            DIE PRINZESSIN AUS RIO DE JANEIRO           Alexander auf die Welt und durchlebt seine ersten
            Ehrgeiz und Fleiß – mit diesen Tugenden kommt   Jahre als angehender Hotelier im Laufstall hinter
            auch Giselle Gorian Teixeira ins Allgäu. Die bra-  der Rezeption. Später wird Alexander Hotelma-
            silianische Eiskunstlaufmeisterin von 1984/85   nagement studieren, in einigen der besten Häuser
            zieht des Sports wegen nach Füssen. Die besten   Europas arbeiten und sich so darauf vorbereiten,
            Trainer, die besten Trainingsbedingungen – Olym-  die Familiengeschichte fortzuschreiben.
            pia ist nur über das Allgäu zu erreichen. Eis und
            Unterkunft stellt der deutsche Eislaufverband,   … UND PLÖTZLICH GEHT DIE POST AB!
    Fotos: Privatarchiv der Familie Thurm  als Servicekraft im Rübezahl. Riomäßig braun ge-  Laufstall hinter der Rezeption. Herrlich! Schwester
                                                        „Schon als Dreijähriger hat er die Gäste begrüßt“,
            fürs Training aber muss man sich etwas dazuver-
                                                        sagt Giselle lachend und zeigt das Bild mit dem
            dienen. Tagsüber Souvenirs verkaufend, abends
            brannt und durchtrainiert trifft Giselle den jungen
                                                        Franziska macht Karriere als Langläuferin, schafft
                                                        es unter die besten zehn in Deutschland und stu-
            Küchenchef, der sofort wie vom Blitz getroffen
                                                        diert dann ebenfalls Hotelmanagement. Nur Bru-
            ist. „Ich habe gedacht: Diese Frau schickt der lie-
            be Gott“, sagt Erhard und lacht. Nach „Monaten
                                                        der Stefan hat mit der Hotelbranche nichts am
            des Kartoffelschälens“ (Giselle) und „Wochen der
                                                        Hut, er ist als Gärtner glücklich.
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